Im seit Monaten andauernden Streit um das neue Wehrdienstgesetz hat die Koalition einen entscheidenden Durchbruch erzielt. Wie die Redaktion von compakt.de berichtet, einigten sich die führenden Fraktionen auf eine gemeinsame Linie, nachdem besonders die Diskussion um Freiwilligkeit und Auswahlverfahren das Gesetzgebungsverfahren blockiert hatte. Die Verständigung gilt als bedeutsamer Schritt, da sie den Weg für eine umfassende Reform der Bundeswehr öffnet. Union und SPD bestätigten am Abend, dass sie mit Verteidigungsminister Boris Pistorius zu zentralen Punkten eine Lösung gefunden haben. Die Entscheidung betrifft vor allem die Rückkehr zur verpflichtenden Musterung aller 18-jährigen Männer.
Rückkehr zur Musterungspflicht und die wichtigsten Reformpunkte
Der politische Kompromiss sieht vor, dass künftig jeder männliche Staatsbürger mit Vollendung des 18. Lebensjahres zur Musterung erscheinen muss. Dieser Ansatz ersetzt das zuvor diskutierte doppelte Losverfahren, das ursprünglich zur Auswahl für die Musterung und später zur Bestimmung der Einberufenen dienen sollte. Damit folgt die Koalition der Forderung, das Verfahren transparenter und verlässlicher zu gestalten. Sollte die Zahl der freiwilligen Bewerber nach der Musterung nicht ausreichen, wird mittels Los entschieden, wer tatsächlich Wehrdienst leistet. Dadurch soll die notwendige Personalstärke der Truppe gesichert werden, ohne ausschließlich auf freiwillige Meldungen angewiesen zu sein.
Gründe für den neuen Musterungsansatz
Die Fraktionen betonen, dass die Bundeswehr angesichts geopolitischer Unsicherheiten strukturell gestärkt werden müsse.
Wichtige Faktoren waren unter anderem:
- die sinkende Zahl freiwilliger Bewerber
- der wachsende Personalbedarf in den kommenden Jahren
- die Notwendigkeit einer verlässlichen Planungsgrundlage für die Streitkräfte
- der Wunsch, das Auswahlverfahren nachvollziehbarer zu gestalten
- der politische Druck, das Losverfahren nicht weiter auszubauen
Diese Hintergründe führten letztlich zur Rückkehr des klassischen Musterungsmodells.
Bedarfswehrpflicht als zusätzliche Option des Bundestages
Union und SPD einigten sich außerdem auf klare Zielmarken für den Personalaufbau der Bundeswehr. Sollte absehbar sein, dass die Freiwilligkeit nicht ausreicht, könnte der Bundestag künftig eine sogenannte Bedarfswehrpflicht beschließen. Diese würde dann greifen, wenn strukturelle Lücken bestehen, die anderweitig nicht geschlossen werden können. Dabei wäre erneut ein Zufallsverfahren möglich, um eine faire Auswahl sicherzustellen. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete, dass die Fraktionen am Donnerstagmorgen offiziell über die Einigung informiert werden sollen. Danach will die Regierung die Öffentlichkeit über Details unterrichten.
Wichtige Elemente der Bedarfswehrpflicht
- jährliche Überprüfung der Personalentwicklung
- parlamentarische Entscheidung über zusätzliche Verpflichtung
- Anwendung eines Zufallsverfahrens bei Bedarf
- zeitlich begrenzte Einberufungswellen
- Möglichkeit schneller Reaktion bei veränderten Sicherheitslagen
Die Regierung sieht darin einen Mechanismus, der sowohl flexibel als auch rechtsstaatlich kontrolliert bleibt.
Konflikte über Personalplanung und Kurzzeit-Soldaten
Doch die Musterung war nur ein Teil des Konflikts zwischen Verteidigungsminister Pistorius und den Regierungsfraktionen. Ein weiterer Streitpunkt betraf die langfristige Personalplanung der Bundeswehr, insbesondere den geplanten Truppenaufwuchs. Laut Informationen aus Fraktionskreisen soll Pistorius schließlich der Forderung zugestimmt haben, einen detaillierten Personalplan vorzulegen. Offene Fragen blieben jedoch vorerst bestehen, etwa hinsichtlich der geplanten Kurzzeit-Soldaten für Wachaufgaben, die nur eine minimale Ausbildung ohne Kampfelemente erhalten sollten. Kritiker warfen dem Minister vor, dadurch die Statistik künstlich zu verbessern.
Kritikpunkte an Pistorius’ Sondermodellen
- zu kurze Ausbildungsphasen
- Gefahr unzureichender Einsatzfähigkeit
- mögliche Verzerrung der Personalstatistiken
- fehlende Verantwortungsklarheit
- unterschiedliche Erwartungen zwischen Ministerium und Fraktionen
Diese Themen sollen in weiteren Gesprächen konkretisiert werden.
Der Vier-Stufen-Plan und seine politische Vorgeschichte
Im ursprünglichen Gesetzesentwurf hatten SPD und Union einen Vier-Stufen-Plan vorgesehen, der von freiwilliger Meldung bis zum Losentscheid reichte. Pistorius verwarf dieses Modell jedoch Mitte Oktober während einer SPD-Sitzung, weil er sich übergangen fühlte. Seitdem verhandelten Abgeordnete beider Fraktionen erneut, um eine tragfähige Lösung zu finden. Das Verhandlungsteam bestand aus erfahrenen Verteidigungspolitikern, die insbesondere sicherstellen wollten, dass die Reform praktikabel bleibt.
Bestandteile des alten Vier-Stufen-Modells
- freiwillige Meldung zur Musterung
- Losverfahren für die Musterung bei zu geringer Beteiligung
- erneutes Losverfahren zur Einberufung
- flexible Anpassung an den Personalbedarf
- Möglichkeit, die Reserve je nach Lage zu verstärken
Pistorius hält dennoch daran fest, dass ab 2026 jährlich zwischen 3000 und 5000 zusätzliche Soldaten benötigt werden.