Syrien nach Assad: Erste Parlamentswahlen als Wendepunkt

Syrien nach Assad Parlament eröffnet neue Ära

Zum ersten Mal seit dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad im Dezember 2024 hat Syrien Parlamentswahlen abgehalten. Für ein Land, das Jahre des Krieges, der Sanktionen und der Spaltung überstanden hat, wurde dieser Tag zu einem Symbol des Übergangs in eine neue politische Realität. Dennoch zeigte der Ablauf, dass die vollwertige Demokratie noch in weiter Ferne liegt, berichtet die Compakt.DE.

Übergangspräsident Ahmad al-Scharaa, der nach der Absetzung Assads die Übergangsregierung übernahm, betonte, dass das neue Parlament die Grundlage für die künftige Staatsordnung legen müsse. Seine vorrangige Aufgabe wird es sein, eine neue Verfassung und Gesetze zu verabschieden, die das Format der kommenden Wahlen festlegen.

Wie verliefen die Wahlen in Syrien?

Da es keine verlässlichen Daten über die Bevölkerungszahl und das Ausmaß der Migration gibt, fanden die Wahlen nach einem indirekten System statt. Rund sechstausend bevollmächtigte Wähler aus den Provinzen stimmten über die Kandidaten des Volksrats ab – 210 Sitze, von denen zwei Drittel gewählt und der Rest vom Präsidenten ernannt wurden. Dieses Modell sollte einen kontrollierten, aber relativ sicheren Prozess gewährleisten, in einem Land, das noch immer unter lokalen Konflikten und Instabilität leidet. In drei Provinzen wurden die Wahlen jedoch abgesagt, da bewaffnete Gruppen die Sicherheit der Wahllokale nicht garantieren konnten.

Ein neues Parlament: Chance auf politischen Neustart

Die Wahlergebnisse stellten einen politischen Kompromiss zwischen der Notwendigkeit, staatliche Institutionen zu erneuern, und dem Wunsch der Übergangsregierung dar, die Kontrolle zu behalten. Die neu gewählten Abgeordneten vertreten alle 14 Provinzen, doch Kritiker weisen darauf hin, dass die tatsächliche Autonomie des Parlaments weiterhin begrenzt bleibt. Präsident al-Scharaa versprach enge Zusammenarbeit mit den Abgeordneten und forderte eine rasche Verabschiedung zentraler Gesetze. Seine Worte klangen pragmatisch – das Land müsse die politische Blockade überwinden und den Weg für die in fünf Jahren geplanten Präsidentschaftswahlen ebnen.

Wird das Parlament ein Zentrum demokratischer Macht?

Obwohl die Wahlen offiziell als erster Schritt zur Demokratie gelten, zeigt ihre Struktur die Vorsicht der Übergangsregierung. Die Ernennung eines Drittels der Abgeordneten durch den Präsidenten wirft Zweifel an der Gleichheit der politischen Vertretung auf. Experten warnen: Ohne unabhängige Parteien, Meinungsfreiheit und die Beteiligung der Zivilgesellschaft droht das Parlament, ein beratendes statt ein gesetzgebendes Organ zu bleiben. Erschwerend kommt hinzu, dass Millionen syrischer Flüchtlinge, die das Land verlassen haben, nicht abstimmen konnten – ein Defizit politischer Repräsentation, das die Legitimität der neuen Regierung künftig beeinträchtigen könnte.

Regionale Risiken und gesellschaftliche Erwartungen

Nach dem Krieg bleibt Syrien territorial zersplittert. Kurdische Gebiete, die südliche Provinz Suweida und einige Zonen im Norden funktionieren weiterhin autonom, während in manchen Regionen noch Kämpfe andauern. Die Wiederbelebung des politischen Prozesses erfordert hier nicht nur Gesetze, sondern echte Versöhnung. Dennoch sehen viele Bürger die Wahlen als lang ersehnten Schritt zur Stabilität. Für Menschen, die vom Krieg erschöpft sind, ist selbst eine teilweise Rückkehr zum politischen Alltag ein Zeichen dafür, dass das Land in eine neue Ära tritt – mit Hoffnung, aber auch mit Vorsicht.

Syrien steht vor seiner schwierigsten Etappe

Das neu gewählte Parlament muss grundlegende Dokumente verabschieden, die festlegen, wie Syrien im nächsten Jahrzehnt aussehen wird: als föderaler, präsidentieller oder parlamentarischer Staat. Diese Entscheidungen werden bestimmen, ob die Revolution das Ende der autoritären Ära bedeutet oder nur deren Neuformatierung. Nach Jahren des Chaos steht das Land an einem Scheideweg – zwischen Wiederaufbau und Wiederholung alter Fehler. Auch wenn Wahlen allein keinen Wandel garantieren, gaben sie den Syrern zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren das Gefühl, wählen zu können – begrenzt, aber selbstbestimmt. Zuvor berichteten wir, dass in Rom nahe des Bahnhofs „Termini“ Vandalen die Statue von Papst Johannes Paul II. geschändet haben.